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Willkommen im Braunschweiger Land
Es hätte anders kommen können: Grenzzäune und Minen zwischen Timmenrode und Warnstedt. Schon während des Zweiten Weltkriegs war in den trilateralen Gesprächen der späteren Siegermächte Großbritannien, UdSSR und USA der Verlauf der Zonengrenze ausverhandelt worden. Nach dem Londoner Protokoll sollte die östliche Grenze des Landes Braunschweigs zur Westgrenze der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) werden. Die gemeinsame Gemarkungsgrenze der Gemeinden Timmenrode (Braunschweig) und Warnstedt (Preußen) wäre zur innerdeutschen Grenze geworden. Das Grüne Band würde heute genau dort verlaufen. Doch östlich von Blankenburg keine Spur vom Nationalen Naturmonument? K. G.
Es kam anders. Zwar besetzten im April 1945 Truppen der Westalliierten das Land Braunschweig, allerdings: Die Exklave Calvörde und der östliche Teil des Landkreises Blankenburg mit Timmenrode wurden im Juli 1945 Teil der SBZ. Im Harz zerteilte fortan die Zonengrenze den Landkreis Blankenburg an dessen schmalster Stelle westlich von Tanne. Nur im Westen hatte der Landkreis Blankenburg noch bis 1972 Bestand. Braunlage war zur neuen Kreisstadt geworden. Östlich von Timmenrode verschwanden die Grenzsteine. Ab 1947 gehörten Timmenrode und Warnstedt zum neu gegründeten Land Sachsen-Anhalt. Beide Orte waren ab 1950 Teil des Kreises Quedlinburg im DDR-Bezirk Halle. Verbunden waren sie durch die Kreisstraße K 1360. Als 2021 der Landkreis Harz bekannt gab, diese Straße zu einer Fahrradstraße umzubauen, sah sich Ulrich Schmidt aus Timmenrode veranlasst, im Regionalverband Harz vorstellig zu werden. In dessen Geschäftsstelle regte er an, die historische Landesgrenze Braunschweigs im Zuge des Straßenumbaus wieder sichtbar zu machen.
Gut 30 Jahre ist es her, das im Juni 1992 im Kreishaus Goslar der Regionalverband Harz gegründet worden war. Seinen Sitz hat der inzwischen in Quedlinburg. Auch die Welterbestadt wurde ordentliches Mitglied des Verbandes. Ordentliche Mitglieder waren und sind ansonsten die Landkreise der Harzregion in den Ländern Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Seit Anbeginn steht die interkommunale Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg unter dem Motto: „Drei Länder – EIN HARZ!“ Kurz nach der Wiedervereinigung ging es zuvorderst um Fragen der Regionalentwicklung. Welche Straßen- und Schienenverbindungen sollten wiederhergestellt werden? Diese und ähnliche Fragen sind längst geklärt. Inzwischen wächst die nächste Generation heran, in der sich niemand mehr daran erinnert, dass sich bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs ebenfalls drei Länder den Harz teilten: Anhalt, Braunschweig und Preußen. Auch das war damals mit Herausforderungen verbunden, wie sich anhand vieler Beispiele belegen ließe.
Die Anregung, die historische Landesgrenze zwischen Braunschweig und Preußen innerhalb von Sachsen-Anhalt wieder in Erinnerung zu rufen, griff der Regionalverband Harz auf. Ein erstes Gespräch dazu wurde mit Landrat Thomas Balcerowski (Landkreis Harz) geführt. Auch der zeigte sich aufgeschlossen, hatte er doch als langjähriger Bürgermeister der Stadt Thale mit der benachbarten Stadt Blankenburg einen Gebietsänderungsvertrag ausgehandelt und so gleichsam eine historische Landesgrenzen verschoben! Timmenrode ist seit 2010 ein Ortsteil von Blankenburg. Die nächsten Ansprechpartner waren also Bürgermeister Heiko Breithaupt (Blankenburg) und Ortsbürgermeister Jürgen Baum (Timmenrode). Auch bei ihnen standen die Türen offen, die Idee verfing. Hatte sich Ulrich Schmidt eigentlich Bank und Informationstafel gewünscht, fand sich vor Ort Platz für eine Naturerlebnisstation. Die errichtete der Regionalverband Harz als Träger des Naturparks Harz und Träger des UNESCO Global Geoparks Harz . Braunschweiger Land . Ostfalen in dessen 6.202 km² großem Südteil mit Förderung des Landes Sachsen-Anhalt. Abgeschlossen wurden die Bauarbeiten am frühen Morgen des 25. Oktober.
Wenige Stunden später konnte sie im Beisein von Heike Brehmer (MdB), Alexander Räuscher (MdL) und Landrat Dr. Alexander Saipa der Öffentlichkeit übergeben werden; der Landrat des Landkreises Goslar ist seit 2021 Vorsitzender des Regionalverbandes Harz. Bürgermeister Heiko Breithaupt begrüßte die zahlreich erschienen Gäste, steht doch die Naturerlebnisstation Timmenrode im Gebiet der früheren Kreisstadt Blankenburg. Ortsbürgermeister Jürgen Baum und Günter Herbst (Warnstedt) wurden sodann unter das schützende Dach der Naturerlebnisstation an der neuen Fahrradstraße gebeten. Mit ihnen dankte der Geschäftsstellenleiter des Regionalverbandes Harz den an Planung und Bau Beteiligten, darunter der Diplom-Theatermalerin Ines Alig-Petsch aus Schwenda. Sie malte drei großformatige Bilder, die in Kinderaugenhöhe angebracht sind. Eines der Bilder zeigt die Situation vor 1945 mit Grenzstein und Pferdefuhrwerk. Wollten Eltern die sich aus der Betrachtung der Bilder ergebenden Fragen beantworten, müssen sie in den Texten der Informationstafeln lesen. Darin erläutert finden sich u. a. die historischen Hintergründe des Grenzverlaufes. Sie liegen im Mittelalter und haben mit der Lehnsherrschaft des Bistums Halberstadt bzw. der Welfen zu tun. Die Frage nach den Auswirkungen der historischen Landesgrenze wird beispielhaft beleuchtet an den wiederholt durch den König (Preußen) verhängten Kornsperren und deren Auswirkungen auf den für das Herzogtum Braunschweig bedeutenden Handel mit Getreide. Dieses Beispiel wurde bewusst gewählt, befindet sich die Naturerlebnisstation doch inmitten fruchtbaren Ackerlands. Das Geschenk der Natur, das es hier zu schützen gilt sind die fruchtbaren Böden. Angesichts anhaltender Flächenversiegelungen ist dies innerhalb des Natur- und Geoparks eine nicht minder anspruchsvolle Herausforderung wie „Natur Natur sein lassen“ in einem Nationalpark. Menschen ist kaum noch bewusst, was alles auf dem Acker angebaut werden muss, um Lebensmittel wie das tägliche Brot, ein Stück Mohnkuchen oder Bier zu backen bzw. zu brauen. Auch das lässt sich an der Naturerlebnisstation lernen, in Form eines Quizz. Fahrradständer beugen einem Zerkratzen der Informationstafeln durch angelehnte Fahrräder vor. Der Baustil der Naturerlebnisstation gleicht jenen drei Stationen des Regionalverbandes Harz am Lutherweg. Der verbindet im UNESCO-Geopark die „Kalte Stelle“ nahe der Lutherstadt Eisleben mit Mansfeld, Stolberg im Harz und Rodishain bei Nordhausen. K. G.
Zu unserem Foto: Landrat Dr. Alexander Saipa (links) lauscht den Begrüßungsworten von Bürgermeister Heiko Breithaupt (rechts). Foto: Dr. Alexandra Hellwig/RVH