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Kirchberg ist ein im deutschsprachigen Raum sehr häufiger Ortsname. So verwundert es nicht, dass wir auch im UNESCO-Geopark Harz . Braunschweiger Land . Ostfalen einen Ort gleichen Namens finden. Als eigenständige Gemeinde war das Dorf westlich des Harzes Teil des Anfang 1833 im Herzogtum Braunschweig eingerichteten Landkreises Gandersheim. Als Kirchberg am 1. Juli 1972 gemeinsam mit anderen Gemeinden in die Stadt Seesen eingegliedert wurde, wechselte auch die Kreiszugehörigkeit.
Schon während der fränkischen Landnahme unter Karl dem Großen war im Zentrum des Kirchberger Beckens ein befestigter Königshof angelegt worden. Hier musste die über Göttingen führende Frankfurter Heerstraße die sumpfige Niederung der Markau überschreiten. Zudem mündete hier ein Handelsweg ein, der entlang des Südharzrandes ins Thüringische führte. Die Niederung (Aue) im Grenzland (Mark) war also ohne Zweifel strategisch bedeutsam. Sie wurde deshalb durch eine Wasserburg gesichert. Ein dazugehöriger Beobachtungturm stand auf dem Törenberg.
Dass schon die erste Kirche dem Heiligen St. Martin geweiht war, ist Hinweis auf eine fränkische Gründung (königlich-fränkische Eigenkirche). Die Kirche war auf einer kleinen Anhöhe im Burgbezirk errichtet worden. Zum Burgbezirk gehörte natürlich auch ein Wirtschaftshof (Curtis). Die dort auf dem Ritterhof ansässige Adelsfamilie stand in Abhängigkeit zum Landesherrn.
Nach Brüning und Schmidt (1976) war ein Teil des Königsgutsbezirks um Kirchberg wohl über die Liudolfinger an das Reichsstift Gandersheim gekommen. Mit einer 1206 ausgestellten Urkunde bestätigte jedenfalls Papst Innozenz III., dass die „ecclesia Kerechberg“ dem Stift Gandersheim zugehörig ist. Von Petersdorff-Campen (o. J.) nimmt an, dass dies auch für die Burg und die Curtis zutraf, was allerdings der Papst nicht zu bestätigen hatte.
Wenig später war auf Kirchberg das Geschlecht derer von Freden ansässig. Es waren Vasallen des Stifts Gandersheim. Die Burgherren waren als bedeutende Hüttenunternehmer am Harz tätig. Als etwa 1225 die Zisterziensermönche des Klosters Walkenried begannen, einen land- und forstwirtschaftlichen Großbetrieb zu gründen (die Grangie Immedhusen) verkauften die Fredens Ländereien, Forsten und auch Schmelzhütten an das Kloster. Gemeinschaftlich lließen die Herren von Freden und das Kloster Walkenried östlich des Burgbezirks die Hagensiedlung Törneberg angelegen. Ihr Name nimmt Bezug auf den zur Burg gehörigen Turm.
1438 war Herzog Otto II. von Braunschweig-Göttingen schon Grundeigentümer der Burg Kirchberg, als er sie den erbverbrüderten Herren von Oldershausen und von Freden zum Lehen gab.
Auf der nahen Stauffenburg hatte Elisabeth zu Stolberg ihren Witwensitz. Sie war mit Wilhelm II. Herzog von Braunschweig und Lüneburg, Fürst von Braunschweig-Wolfenbüttel und Calenberg-Göttingen verheiratet. Herzogin Elisabeth hatte Bergleute und Schmiede aus Stolberg und Ellrich nach Gittelde geholt. Aus der Gewinnung und Verarbeitung von Silber-, Kupfer- und Eisenerz war sie danach zu Vermögen gekommen. So konnte sie 1518 auch die Burg Kirchberg kaufen und sie ihrem Enkel, Herzog Heinrich den Jüngeren übergeben. Bekanntheit erlangte die Burg, als der Herzog Mitte des 16. Jh. seinen sieben noch lebenden Kindern aus der Liebschaft mit Eva von Trott - der Zofe seiner Frau - als Herren von Kirchberg einsetzte.
Heinrich der Jüngere, der nach der Schlacht von Mühlberg (Sieg der Kaiserlichen über den Schmalkaldischen Bund) in seinem Fürstentum die Gegenreformation betrieb, hatte deshalb wenig Freunde im Adel der Harzregion. Graf Vollrad von Mansfeld wollte gar „dem Luthertum mit dem Schwert eine Gasse hauen“ und vergriff sich am Besitz der unehelichen Kinder des Herzogs. Von seinem Winterlager in Seesen aus zerstörte er 1552 u. a. die Kirche von Kirchberg. Im Augsburger Religionsfrieden zu Schadenersatz verurteilt, musste der Graf später jedoch auch den Wiederaufbau der Kirche bezahlen. Der wurde aber erst 1570/71 ausgeführt, als erster Neubau einer Dorfkirche im Herzogtum Braunschweig nach der Reformation!
Bis 1597 verstarben alle drei Söhne Heinrich des Jüngeren und seiner Geliebten Eva von Trott ohne männliche Nachkommen. So fielen Burg und Gut zunächst an die herzogliche Kammer. 1606 gelangte der Besitz als Pfandlehen an Christoph von Dorstadt. Dieses Pfandlehen löste ein Vorfahre des heutigen Besitzers Friedrich von Petersdorff-Campen ein. Es war Daniel von Campen, Doktor des kirchlichen und des weltlichen Rechtes und von Herzog Friedrich Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel u. a. mit diplomatischen Aufgaben betraut. Auf alten Grundmauern ließ er 1625 das heutige Gutshaus erbauen.
Es ist eine Empfehlung, in Kirchberg mal vorbeizuschauen. Durch geschickte Politik wurde es schon im Dreißigjährigen Krieg vor Zerstörung bewahrt. Verkehrswegeneubau hat jedoch das Landschaftsbild ebenso verändert wie der Strukturwandel in der Landwirtschaft. Dazu heißt es in Petersdorff-Campen (o. J.) sinngemäß, dass nach dem Bau der Eisenbahnlinien Seesen-Kreiensen und Seesen-Osterode mit zunehmendem Autoverkehr zu Beginn des 20. Jh. asphaltierte Chausseen, heutige Bundesstraßen entstanden, und nach dem Zweiten Weltkrieg auch die A 7 weiter nach Norden gebaut wurde. Schließlich entstand Ende der 1960er Jahre die Harzschnellstraße, die B 242. Sie ist heute von der Schlackenmühle bis an die Landesgrenze zu Thüringen vierspurig ausgebaut. Und weiter wörtlich: „Die beim Bau dieser Strecke anfallenden Erdmassen wurden sowohl für den Bau des Kirchberger Sportplatzes als aber auch zur Verfüllung des Kirchteiches eingesetzt. Alle neu entstandenen Verkehrswege … sind … auch ein Hinweis darauf, wie bedeutungsvoll für den Verkehr dieser Ort heute wie früher ist und war.“
Der Sportplatz befindet sich am Dorfgemeinschaftshaus. „Gemeinsinn statt Landflucht: Kirchberg – ein Dorf mit Zukunft“ titelte die Frankfurter Rundschau am 12. September 2016. Kindergarten noch nie, Schule 1975 geschlossen, weder Arzt noch Frisör und auch keine Schweine oder Kühe mehr, aber Jugendfeuerwehr, Zumba-Gruppe, Tischtennismannschaft ... 554 Einwohner, Tendenz steigend. Aus Ställen und Scheunen wurden Wohnungen. Allein auf dem Rittergut wohnen jetzt 30 Familien. Drei Minuten bis zur Autobahn, schnelles Internet und Gemeinschaftssinn: Hier lässt es sich leben! Wunschlos glückliche Einwohner? Nein, nicht ganz, denn eine Kneipe wünscht man sich wieder.
von Dr. Klaus George
Weiterführende Literatur:
Kurt Brüning & Heinrich Schmidt (Hrsg., 1976): Handbuch der historischen Stätten Deutschlands. Bd. 2 Niedersachsen und Bremen. 4. Aufl., Alfred Körner Verlag Stuttgart.
Georg von Petersdorff-Campen (o. J.): Das Rittergut Kirchberg im Wandel der Zeit. Eigenverlag G. v. P. Seesen - Kirchberg