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Spaßvögel behaupten: Meier, Müller und Schulze wären ebenso wenig Namen wie Neustadt oder Neudorf; es seien Sammelbegriffe. Die Südharzer tragen es mit Fassung. Neustadt/Harz ist Mitglied der internationalen Städtefreundschaft "Neustadt in Europa". Die Werbegemeinschaft vereint 36 Städte und Gemeinden gleichen Namens in Deutschland, Österreich, Ungarn, Polen sowie in der Tschechischen und der Slowakischen Republik. Seit 2005 ist Neustadt/Harz aber auch Mitglied im Regionalverband Harz.
2009 war die gut 1.100 Einwohner zählende Gemeinde in der Verwaltungsgemeinschaft Hohnstein/Südharz Gastgeberin des traditionellen Walpurgisempfangs des Regionalverbandes Harz. Der Regionalverband Harz ist nicht nur Träger der Naturparke Harz in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, sondern auch Träger des Geoparks Harz . Braunschweiger Land . Ostfalen, der den Harz in Thüringen einschließt. Gerade in der Umgebung von Neustadt gibt es mehrere Geopunkte, die dem Interessierten Einblicke in die Erdgeschichte ermöglichen. Sie sind teilweise durch einen 6,3 km langen Rundwanderweg erschlossen, der vom Zweigverein Neustadt/Osterode des Harzklubs als Naturlehrpfad ausgeschildert wurde und der durch Neustadt dem Verlauf von Burg- und Badestraße folgt. Doch schon wer auf dem großen Parkplatz "Am Wiesenplatz" sein Auto abgestellt hat und sich dem Alten Tor, einem Stadttor aus dem 15. Jh. zuwendet, kann an dessen unverputztem Mauerwerk erkennen, welches Baumaterial die Umgebung bot: rotbrauner Porphyrit (Rhyolith) und in den Fugen heller Gipsmörtel. Letzterer weist darauf hin, dass gleich südlich eine Geländeschwelle den Übergang in das südliche Harzvorland markiert. Der ehemalige Gemeindesteinbruch hingegen befindet sich am nordöstlichen Ortsrand des Ortsteils Osterode. Dort ist ein Lavaförderzentrum aus der Permzeit (vor 296-251 Mio. Jahren) aufgeschlossen, das den vulkanischen Ursprung der rotbraunen Steine beweist. Die einstmals mächtige Burg Hohnstein hoch über Neustadt wurde im Mittelalter direkt auf dem anstehenden Vulkangestein erbaut. Ihr sollten wir auf jeden Fall einen Besuch abstatten, denn die Geschichte der beiden Ortsteile Neustadt und Osterode ist untrennbar mit der Burg Hohnstein verbunden.
Osterode ist das Dorf, das ursprünglich der Versorgung der Burg diente. Es wird erstmals bereits 1216 in einer von Graf ELGER III. von Hohnstein gezeichneten Urkunde als "Asczerode" erwähnt. Der Ortspfarrer war zugleich der Kaplan der Hofkapelle auf der Burg. Osterode wurde 1952 in Neustadt/Harz eingemeindet.
Der Ursprung der Burg Hohnstein liegt im Nebel der Geschichte verborgen. Sie kam durch Erbfolge 1145 an die Gemahlin von ELGER II. von Ilfeld. Das Herrengeschlecht nannte sich fortan nach seiner Burg "von Hohnstein" und stieg bis zum 14. Jh. zum einflussreichsten Grafengeschlecht am Südharz auf. Ihre Herrschaft zerfiel jedoch infolge Erbteilungen und Zerstörungen im Fleglerkrieg 1412, ehe es den Hohnsteinern gelang, die Eigenstaatlichkeit zu sichern. 1417 kam die Burg in den Besitz der Grafen zu Stolberg. Das Geschlecht der Hohnsteiner erlosch 1593 mit dem Tod von ERNST VII. Die stolze Burg Hohnstein ließ der sächsische Oberst CHRISTIAN VITZTHUM VON ECKSTÄDT während des Dreißigjährigen Krieges 1627 niederbrennen. Graf CHRISTOPH LUDWIG VON STOLBERG konnte das erpresserisch geforderte Schutzgeld nicht aufbringen. Das Schicksal vergehender Bausubstanz droht schleichend auch dem 1744 fertiggestellten Herrenhaus der Fürstlich Stolberg-Stolbergschen Domänenverwaltung am nördlichen Ende der Neustädter Burgstraße. Bis 1866 Verwaltungssitz des Amtes Hohnstein, erfuhr das repräsentative Gebäude später vielfältigste Nutzungen, steht jedoch seit 1986 leer. Die Gemeinde sucht einen Käufer.
Neustadt wird urkundlich erstmals1372 als Flecken "Nuwenstadt" erwähnt und war ab 1417 wie die Burg Hohnstein gräflicher Besitz der Stolberger. Daran erinnert der Stolberger Hirsch im Stadtwappen. 1472 erhielt der Flecken Schenke und Brauzins vom Grafen, musste dafür jedoch u. a. Mühle und Gemeindebäckerei geben. Rechte und Freiheiten anderer Flecken und Städte erhielt Neustadt erst 1485. Amtsschenke und Gericht befanden sich von 1730 bis 1860 im heutigen Hotel "Hohnstein". Bis Mitte des 19. Jh. war der Steinkohlenbergbau wirtschaftlich bedeutsam für die inzwischen zum Königreich Preußen gehörende Stadt. Mit dem Rohstoff versorgt wurden Brennereien in der nahen Stadt Nordhausen. Als Kapital und Rohstoffvorräte erschöpft waren wandelte sich Neustadt zu einem Kurort (Kurhaus 1870, Badehaus 1878, Sanatorium 1887, Luftkurort ab 1890). Davon ist vieles geblieben, was auch heute einen Ausflug oder eine Reise nach Neustadt lohnt: Kurpark mit Gondelteich, Lönspark ... An erster Stelle der Sehenswürdigkeiten verdient hier jedoch der hölzerne Roland Erwähnung. Er erhebt die rechte Hand zum Schwur und hält mit der linken das auf dem Boden stehende Schild mit dem Stadtwappen. Wie sein Vorbild in Nordhausen trägt er ein rotes Gewand, einen schwarzen Gürtel, schwarze Stiefel und auf dem Haupt eine goldene Krone. In goldener Schrift verrät auf dem Gürtel die Zahl 1730 das Jahr seiner Errichtung. Es ist eine von heute nur noch fünf in der Harzregion existierenden Rolandfiguren.
Neben attraktiven Hotels und guten Gaststätten hat Neustadt Freibad, Camping- und Golfplatz zu bieten. Moderne Kunst findet sich im Kurpark. Bäcker, Fleischer und "Tante Emma-Laden" sind im Ort. Bedeutendster Arbeitgeber ist heute das Evangelische Fachkrankenhaus für Atemwegserkrankungen. Villen wurden in Neustadt und Osterode nicht nur Anfang des 20. Jh. gebaut! Ein kleines Heimatmuseum befindet sich in der Gemeindeverwaltung am Alten Tor und ist montags bis freitags geöffnet. Dort, wie auch in den Hotels "Hohnstein" und "Neustädter Hof" ist auch Informationsmaterial des Regionalverbandes Harz erhältlich. Neustadt und Osterode liegen im Gebiet der Landmarke 6 - "Poppenbergturm" des Geoparks. Ein attraktives Wanderziel ist auch die Neustädter Talsperre. Sie staut das Tiefetalswasser und dient der Trinkwasserversorgung der Stadt Nordhausen. Durch den Stausee verläuft die Gemarkungsgrenze zur Gemeinde Herrmannsacker.
von Dr. Klaus George
Weiterführende Literatur:
GARLEB, H. & K. GEORGE (2012): Landmarke 6 - Poppenbergturm. Faltblatt des Regionalverbandes Harz. 6., neu bearbeitete Auflage, Quedlinburg.
GEOPARK HARZ . BRAUNSCHWEIGER LAND . OSTFALEN GBR (Hrsg., 2009): Geopark Harz . Braunschweiger Land . Ostfalen. Die klassischen Quadratmeilen der Geologie. Königslutter, Quedlinburg.
LANDRATSAMT NORDHAUSEN (Hrsg., 1996): Jahrbuch des Landkreises Nordhausen. Bd. 3. Nordhausen.