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Durch Wasserleben verläuft die nördliche Grenze des Naturparks Harz. Der Ort liegt zudem mitten im UNESCO Global Geopark Harz . Braunschweiger Land . Ostfalen. Wasserleben ist seit 2010 Ortsteil der Gemeinde Nordharz im Landkreis Harz. Zuvor war die Gemeinde selbständig, gehörte bis 2007 zum Landkreis Wernigerode.
Ilse und Schneibeckebach, von Einheimischen „Oelbeek“ genannt, fließen durch Wasserleben. Gemeinsam mit dem Mühlgraben prägen die naturnahen Fließgewässer das Ortsbild. Wo andernorts Brücken über Bäche und Flüsse führen, findet sich in Wasserleben die eine oder andere Furt.
Wasserleben gehört nicht zu jenen Orten im Harzvorland, deren Name traditionell auf „–leben“ endet (Aschersleben, Oschersleben, Schadeleben, …). An der Ilse nördlich von Wernigerode soll im frühen Mittelalter auf einem künstlich aufgeschütteten Hügel eine Burg gestanden haben. Sie wird mit einem 1141 erstmals genannten Ministerialengeschlecht in Verbindung gesetzt: den Herren Liere. Diese nahmen den Ort ihres Besitzes in ihren Namen auf, und so findet 1187 in einer Urkunde des Klosters Drübeck ein Heinrio de Waterlieren Erwähnung. Der heutige Ortsname tauchte erst 1660 erstmals Mal auf. 1756 zeigt das Siegel zwei mit den Köpfen nach oben aus dem Wasser aufsteigende Forellen und folgende Umschrift: WASSERLEBISCHES . GEMEIN SIGIL I . D . WERN . GRAFSC . Wasserleben war Flecken, verfügte also über ein eigenes Marktrecht. Heute würden wir sagen: Wasserleben war während der frühen Neuzeit Grundzentrum. Der Ort verfügte zudem über eine eigene Befestigung. An der Spitze der Dorfgemeinschaft stand ein Bürgermeister.
Im Mittelalter war Waterlieren (nach einer anderen Überlieferung auch Waterleer) Ziel von Wallfahrten. Aus einer bei der Osterkommunion 1231 nicht verzehrten Hostie soll wenig später Blut ausgetreten sein. Seit 1298 wird am Ort des Geschehens eine eigene Heiligblutkapelle genannt. Sie diente allein der Präsentation der Hostie. An ihr entstand auf Betreiben des Bischoffs Hermann von Halberstadt um 1300 ein Frauenkonvent, der von Wöltingerode aus besetzt wurde und der Zisterzienserregel folgte. Anstelle des Klosters, dessen Konvent Ende des 15. Jh. unter Einschluss der Konversen 38 Personen zählte, befinden sich heute die Gutsgebäude. Ein großer Dorfbrand hatte am 4. April 1702 über 50 Gebäude zerstört.
Sowohl die Grafen von Blankenburg-Regenstein, als auch die von Wernigerode förderten den Konvent. Erstere hatten hier bedeutenden Grundbesitz, mussten den jedoch nach einer Fehde 1343 an die Grafen von Wernigerode verkaufen. Im Bauernkrieg 1525 stürmten aufständische Landleute das Kloster, zerstörten es aber nicht. Im selben Jahr wurde in der Kirche des Klosters (heute Kirche Sankt Sylvestri) der erste evangelische Gottesdienst gefeiert. Mit der Reformation wurde das Nonnenkloster evangelisch. Doch es gab Streit um das rechte Bekenntnis. Unter Kaiser Ferdinand II. entschied das kaiserliche Hofgericht 1624 die Wiedereinsetzung katholischer Klosterpersonen. Als das Kloster während des Dreißigjährigen Krieges von kaiserlichen Truppen besetzt wurde, blieb die Dorfgemeinde zeitweilig (von 1629 bis September 1631) aus der Kirche ausgesperrt, konnte evangelische Gottesdienste allein in der Gottesackerkirche feiern und musste dort auch Taufen und Trauungen durchführen. Im Ergebnis des Westfälischen Friedens wurde das Kloster am 29. Juni 1650 an Graf Heinrich Ernst zu Stolberg übergeben.1687 wurde es schließlich aufgehoben. Die letzte Klosterjungfrauenstelle wurde im 18. Jh. mit dem Kloster Drübeck verbunden.
Wasserleben hat zwei Kirchen. Mitten im Dorf steht die Kirche Sankt Sylvestri, deren heutige Gestalt auf den Umbau 1747 zurückgeht. Früher hieß sie Jacobikirche, war bis zu ihrer Übergabe an das Kloster 1302 eine Tochter der bedeutenderen Kirche im nahen Huslere. Der einstmals viel bedeutendere Ort, der auch als Hus- oder Hausler Erwähnung findet, war im Hochmittelalter wüst gefallen. Zu jener Zeit grassierte auch in Waterleer die Pest. Allein vom 6. Juni 1598 bis zum 26. August 1598 starben hier 250 Menschen. Aus diesem Grund wurde ein neuer Friedhof angelegt, der unter Pastor Balthasar Voigt 1601 eine eigene Kirche erhielt (Sankt Maria Elisabeth). Es war der erste evangelische Kirchenneubau in der Grafschaft Wernigerode. Unter dem Kirchenregiment der Grafen zu Stolberg-Wernigerode wurde sie Mitte des 18. Jh. umbenannt und trägt bis heute den Namen Sankt Salvator. Schon 1429 waren die Grafen von Wernigerode ausgestorben, ihr Erbe an die Grafen zu Stolberg gefallen.
Unmittelbar an der Kirche Sankt Salvator befinden sich die Gräber der Familie Henneberg. Die Familie hatte die Domäne in Wasserleben gepachtet. Der 1852 geborene, älteste Sohn des Domänenpächters ließ in Wasserleben einen Park im Stil englischer Landschaftsgärten anlegen. Sein Name „Hennebergpark“ erinnert an eben jenen JOHANN WILHELM JULIUS HENNEBERG (1825-1890). Der berühmte Tierernährungsphysiologe gab ab 1853 das „Journal für Landwirtschaft“ heraus und veröffentlichet wenig später die „Beiträge zur Begründung einer rationellen Fütterung der Wiederkäuer“ – ein Klassiker der agrarwissenschaftlichen Literatur. Der Park ist frei zugänglich.
In Wasserleben wurde nicht nur Landwirtschaft betrieben, sondern auch Ton abgebaut und verarbeitet. Der Rohstoff diente zur Herstellung von Drainagerohren.
Soweit aufgehendes Mauerwerk der zahlreichen sehenswerten Gebäude im Ort unverputzt ist, zeigt es neben Ziegelstein verschiedene Natursteine. Sie repräsentieren nahezu das gesamte Erdmittelalter, das am Rande des Harzes und im Huy aufgeschlossen ist. Vornehmlich sind es Kalksteine (Rogenstein und Muschelkalk) und Sandstein. Pflastersteine, wie sie z. B. im Klint entdeckt werden können, sind hingegen meistens abgerundete Quarzite des Acker-Bruchberg-Zuges im Harz (Unterkarbon vor mehr als 340 Mio. Jahren). Eiszeitliche Schmelzwasserströme verlagerten das harte Gestein ins nördliche Harzvorland.
Während der Weichselkaltzeit, der jüngsten Vergletscherung Mitteleuropas vor 21.000 Jahren, reichte das nordische Eisschild jedoch nur noch bis in das Gebiet zwischen Berlin und Elbe. Das Vorland der Gletscher war vegetationsfrei. Fallwinde konnten feinstes Material (Schluff) aufnehmen, das weiter südlich abgelagert wurde. Hierauf bildeten sich die fruchtbaren Lößschwarzerden, die es Menschen ermöglichten, im nördlichen Vorland des Harzes sesshaft zu werden.
von Dr. Klaus George
Quellen:
Historische Commission für die Provinz Sachsen und das Herzogtum Anhalt (Hrsg., 1883): Bau- und Kunst-Denkmäler der Provinz Sachsen. Siebentes Heft: Kreis Wernigerode. Halle a. d. S.
SCHWINEKÖPER, B. (1987): Provinz Sachsen-Anhalt. In: Handbuch der historischen Stätten Deutschlands. Bd. 11. 2., überarbeitete und ergänzte Auflage, Alfred Kröner Verlag Stuttgart.